Ein Überblick zu ausgewählten slawischen Dorfnamen im Umkreis von Burg Stargard und Woldegk, Landkreis Mecklenburgische Seenplatte

S. Bohlander/ Ortsnamen, Uncategorized

Geographische Einordnung des Untersuchungsgebietes in Mecklenburg-Vorpommern

Reich an offensichtlich und weniger offensichtlich slawischen Ortsnamen, soll in diesem Artikel ein kurzer, auf einschlägiger onomastischer Literatur basierender Abriss über die gängigen Theorien zur Entstehung ausgewählter Ortsnamen im Untersuchungsgebiet gegeben werden.

Die ausgewählten Ortsnamen sind:

•Golm •Brohm •Roga •Rowa •Neetzka •Badresch •Rattey •Rühlow •Neverin •Glienke •Riepke •Pasenow •Alt- und Neu-Käbelich •Loitz •Cosa •Groß- und Klein-Daberkow •Kublank •Kreckow •Leppin • Staven • Ballin • Cantnitz •Wanzka • Watzkendorf • Laeven • Dolgen


Nach erfolgter Literaturschau habe ich folgende Quellen als Grundlage des Vergleichs ausgewählt:

Paul Kühnel: Die slavischen Ortsnamen in Meklenburg (1881)
In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Band 46 (1881), S. 3-168

Reinhold Trautmann: Die Elb- Und Ostseeslavischen Ortsnamen, Band 1 u. 2 (1948)
In: Abhandlungen Der Deutschen Akademie Der Wissenschaften Zu Berlin, Philosophisch-Historische Klasse 1947

Die aufgeführten Ortsnamen werde ich im Folgenden einzeln aufführen und die Theorien Kühnels 1881 und Trautmanns 1948 gegenüberstellen.

Golm
Ersterwähnung 1308 Golme, 1336 Golmhe, van dem Golme – bezieht Kühnel auf altsl. hlumu – Hügel und identifiziert den ON als adjektivische Bildung -> der Hügelort, Ort am Hügel
Trautmann führt den ON allerdings auf *cholm – Hügel im polb.-pomoranischen zurück, wobei er auf Miklosich (1927) und Berneker (1913) verweist, die jeweils die urslawische Wurzel beschreiben.

Brohm
EW 1338 Brume, 1475 to Brame – Kühnel führt altsl. brama – Tür, Tor an und übersetzt als adjektivische Bildung “Torort”.
Trautmann führt wiederum polb.-pomoran. *broma an und weist außerdem auf tschech. ON Brána hin, die sich auf alttschech. brána – Schanze, Tor beziehen. Zieht man Berneker (1913) hinzu, verstärkt sich der Eindruck, dass sich auch der meckl. ON durchaus eher auf ein wehrhaftes “Schanzentor” beziehen könnte.

Roga
EW 1366 Roge, sowohl Kühnel als auch Trautmann führen dieses auf altsl. rogu – Horn, Spitze, Ecke zurück.

Rowa
EW 1170 Rouene, 1356 Rowa, sowohl Kühnel als auch Trautmann deuten es als “ebener Ort”, wobei Trautmann zusätzlich zum altsl. ravinu polb.-pomoran. *rovnyj anführt.

Neetzka
EW 1389 Netzke, führt Kühnel auf altsl. nizuku – niedrig zurück und deutet Neetzka als adjektivische Bildung mit der Deutung “niedriggelegner Ort”, während Trautmann sich ausschließlich auf polb.-pomoran. *necka für “Mulde” beruft.

Badresch
EW 1298 Bodereschendorp, 1337 Boderesken – auch hier sind sich Kühnel und Trautmann einer Meinung: es handele sich um einen auf den Personennamen Bodrisek bzw. Bodreska zurückgehenden ON (“Dorf der Bodr-…”)

Rattey
EW 1298 Ratey oder Ratej sieht Kühnel als Pluralbildung von altsl. rataj – Landmann, also Ackerbauer, an, dem schließt sich Trautmann mit Verweis auf Miklosich (1927) an.

Rühlow
EW 1298 Rvlow – hier unterscheiden sich Kühnels und Trautmanns Deutungen in der Hinsicht, dass Kühnel sich eindeutig auf altsl. ralija – Acker bezieht, während Trautmann einen Bezug zu einem Personennamen *Rulov herstellt.

Neverin
EW 1385 Neueryn – während Kühnel hier von einer adjektivisch-possessiven Bildung von altsl. ne- nicht, vera – Glaube, also “Ort des Unglauben bzw. Ungläubigen” ausgeht, sieht Trautmann eine Bildung aus einem Personenvollnamen. Ob er die inhaltliche Deutung Kühnels unterstützt, geht zumindest aus seinem zitierten Werk an dieser Stelle nicht hervor.

Glienke
EW 1298 Glineke führen sowohl Kühnel als auch Trautmann auf altsl. glina zurück.

Riepke
EW 1170 Ribike oder Ribeke – Kühnel deutet Riepke als plurale Bildung von altsl. rybaku – die Fischer, während Trautmann als Quelle altslaw. *ryba – Fisch ansieht.

Pasenow
EW 1298 Parsenow – Kühnel erwähnt sowohl altsl. prah- als auch prazdinu – leer; Trautmann sieht eine Bildung aus einem Personenkurz- oder -kosenamen. Kühnel übersetzt abschließend als “Ort des Parsen-” mit ungeklärter Ursprungsbedeutung des Kurznamens.

Viele ON scheinen sich auf eine Benennung nach Pferden zu beziehen, nachfolgend zwei Beispiele:

Käbelich, Alt- und Neu-
EW 1298 Cobelik – Kühnel und Trautmann sehen übereinstimmend den Ursprung altsl. kobyla – Stute, wobei Kühnel die Bildung als Kollektivum und somit in der Übersetzung “Stutenort” deutet.
Kublank
EW 1312 Coblank, 1380 Koblanke

Loitz
EW 1496/1497 Loyszevitcze, beziehen sowohl Kühnel als auch Trautmann auf altsl. lysu – kahl – allerdings deutet Kühnel die Bezeichnung des Ortes als “kahle Gegend”, wobei Trautmann eine Bildung nach einem Personennamen sieht.

Cosa
EW 1338 Cosen – sowohl Kühnel als auch Trautmann beziehen sich hier auf altsl. koza – Ziege und übersetzen als “Ziegenort”.

Daberkow, Groß- und Klein-
EW 1267 Dobrekouwe, sowohl Kühnel als auch Trautmann sehen eine possessivische Bildung im Sinne von “Ort des Dobrek”, wobei Kühnel anfügt, dass die altsl. Wurzel dobru – gut eine Rolle spielen könne, Trautmann sieht auch hier eine Bildung aus einem Kosenamen, der sich freilich genau auf diese Bedeutung beziehen könnte.

Kreckow
EW 1308 Krecowe, hier sehen sowohl Kühnel als auch Trautmann wiederum eine possessivische Bildung mit der Bedeutung “Ort des Krek” und Trautmann verweist mit Bezug auf Berneker (1913) auf die inhaltliche Bedeutung eines Krächzens oder Schreiens in vielen Slawinen.

Leppin
EW 1298 Leppin, auch hier sind Kühnel und Trautmann sich einig, dass es sich um eine possessivische Bildung als “Ort des/der Lepa” handelt, wobei der Bezug zu altsl. lepy “schön” naheliegt.

Staven
EW 1303 Stouen – Kühnel und Trautmann unterscheiden sich in ihrer Deutung hier erheblich. Geht Kühnel von einer possessivischen Bildung nach altsl. stov- , also bedeutend “Ort des Stoven” aus, wobei er dies noch mit einem Fragezeichen versieht, bezieht Trautmann sich auf altsl. *stavu – Teich oder Damm, was in Anbetracht der geographischen Bedingungen vor Ort auch plausibel erscheint.

Ballin
EW 1322 Ballin – hier sind Kühnel und Trautmann sich einig, dass es sich um eine adjektivisch-possessivische Bildung entsprechend “Ort des Bala” handelt. Kühnel erwähnt den altsl. Stamm “bal-“, den er an anderer Stelle mit der Bedeutung “heilen, zaubern” erklärt. Trautmann bezieht sich recht explizit auf die Herkunft aus einem Zunamen, der sich wiederum aus altsl. balyji- Arzt entwickelt haben könnte.

Cantnitz
EW 1382 Kantenittze – Kühnel übersetzt als “winkeliger Ort” bezogen auf altsl. katu – Winkel und sieht eine adjektivische ON-Bildung. Trautmann bezieht sich auf denselben Ursprung und verweist auf ähnliche Benennungen für entfernt oder versteckt gelegene Feld- und Waldparzellen.

Wanzka
EW 1290 Wancik – Kühnel und Trautmann sind sich hier in der Übertragung mit “Ort an dem engen See” mit Bezug auf altsl. azuku – eng bzw. *vaziny – Enge, Engpass einigermaßen einig, wobei beide nicht ausschließen, dass eine andere Deutung auch denkbar ist (Kühnel erwägt “Ort des Vacik” als possessivische Bildung, Trautmann spicht allgemein von Zweifeln im Bezug auf die ausschließliche Deutung des ON.

Watzkendorf
EW 1339 Wascekendorp, Kühnel und Trautmann sind sich einig über die Deutung als “Dorf der Vasek”, wobei Trautmann den Personennamen “Waske” aus Vasek belegt sieht.

Laeven
EW 1393 Lovene beziehen sowohl Kühnel als auch Trautmann auf die altsl. Wurzel lovu – Jagd, wobei Kühnel eine adjektivische Bildung sieht und “Jagdort” übersetzt.

Dolgen
EW 1407 zum Dolgen – Kühnel und Trautmann sind sich zwar einig, dass die Bedeutung sich auf den langgestreckten, gleichnamigen See am Ort bezieht, Kühnel sieht aber die Wurzel in altsl. dlugu – lang, während Trautmann auf die polb.-pomoran. Form *dolgyj – lang verweist.

Ausblick
In einer Fortsetzung dieses Artikels werde ich einige besondere Ortsnamen herausgreifen, für die ich keine oder nur unzureichende Belege oder Interpretationen in den hier konsultierten Registern gefunden habe, und für sie Belege aus anderen Quellen suchen. Desweiteren werde ich auf der Grundlage weiterer ausgewählter Quellen die bereits vorliegenden Interpretationen, vor allem von Kühnel und Trautmann, kritisch betrachten.

Weitere verwendete Literatur

Miklosich, Franz: Die Bildung der slavischen Personen- und Ortsnamen. Drei Abhandlungen. Heidelberg 1927.

Berneker, Erich: Slavisches etymologisches Wörterbuch. Heidelberg 1913.


Share this Post